Nein, hier geht es nicht um das Iphone. Das ist ja gar nicht dumm! Hier geht es um mein Saxophon. Das ist auch nicht dumm, aber ich. Ich bin Anfänger und besuche den Kurs "Saxophon für Dummies". Ein halbes Jahr lang, dann will ich vor dem Dorf-Supermarkt spielen können und mindestens eine Münze in den Hut bekommen. Mal sehen, ob es klappt.
Anmerkung: Derdiedas Blog ist geschlossen. Wer es trotzdem lesen mag: Von unten nach oben.
So. Kurzfristig ist hier wieder geöffnet. Mit einem Bericht vom Salzgitter-Workshop:
Wo will nur dieser riesige Saxofonkoffer mit mir hin? Hilfe! Er steuert nach Salzgitter, einer Stadt, die aussieht wie ein umgestürzter Architektenmülleimer. Ach was, Stadt, ein Zwangszusammenschluss von depressionalen Fußgängerzonen und netten Dörfern, die nicht schnell genug entkommen konnten. Aber mir bleibt keine Zeit für ein gepflegtes Städte-Bashing, denn ich reise zum Jazz-Rock-Workshop. Für Eingeweihte seit 27 Jahren der Hammer, für mich ganz neu. Mein Sax findet es mit mir allein zu langweilig. Immer die öden Tonleitern.
Es ist dann sehr überrascht, den Workshop mit Tonleitern beginnen zu müssen. Der Dozent jagt uns durch die Skalen, damit wir schnell einsehen, dass wir nix können. Ich kriege schon nach dem Einspielen keine Luft mehr. „Versuch einfach nicht, gut zu spielen, das wird ein Eigentor“, rät der freundliche Könner. Aha. „Etwas mehr Scheißegalhaltung würde dir guttun.“ Die würde mein Leben sonst auch bereichern, aber scheißegal ist nicht meine Stärke.
Nachdem mich der nette Mann bereits am Vormittag komplett erledigt hat, beginnt der eigentliche Spaß erst am Nachmittag: die Workshop-Bands. Mein Bandleader, nennen wir ihn „Uns Uwe“, muss nun sieben Bläser und zwei Schlagzeuger mit einem Percussionisten, einem Gitarristen, zwei Keyboarderinnen und gar keinem Bassisten unter einen Hut bringen. Huch, da ist ja auch noch eine Sängerin. Und ein Sänger mit Mundharmonika. Was wird das nur? Ein Potpourri mit dem Titel „Gut gemeint ist halb verloren“?
Zwischendurch gibt es zur Stärkung Wurst, Braten, Wurst, Schaschlik, Wurst, Gulasch und Wurst. „Muckeressen“, sagt zufrieden einer, der sich auskennt. Vegetarier und Memmen müssen in die Fußgängerzone des Grauens ausweichen. Jetzt weiß ich, weshalb der Sax-Dozent auf die Frage „Wie baue ich ein Solo auf?“ bildhaft antwortete: „Wenn ich nur Wurst im Kühlschrank habe, muss ich ein Wurstbrot machen. Man kann ja kein virtuelles Käsebrot schmieren.“
Fünfzehn geniale Musiker in einer Band, die alle Superideen beisteuern wollen und durcheinander schreien, sind, äh, ganz toll. Eine Band mit sieben Bläsern in einem winzigen Übungsraum ist, äh, relativ laut. Die Chance, dass alle fünfzehn begriffen haben, worauf es ankommt, keinen Einsatz vergurken und keine Grütze spielen (um jedenfalls den Vegetarier-Bildvorrat zu seinem Recht kommen zu lassen), beträgt etwa eins zu 15.000. Uns Uwe kann das alles aber nicht erschüttern. Er amüsiert sich prächtig. Wahrscheinlich hat er zuletzt das flammende Inferno dirigiert.
Wir grauenhaften fünfzehn entwickeln mit ihm sogar ein eigenes Stück, das korrekt wohl „Geklaut und neu zusammengesetzt“ heißen müsste, von uns aber lieber „Dr. Brown sein Magic Tune“ genannt wird. Beim Abschlusskonzert nach vier Tagen sind wir dann erstens glücklich und zweitens die absoluten Stars! So wie alle anderen Bands übrigens auch. Nächstes Jahr komme ich auf jeden Fall wieder. Falls mein Saxofon nicht mitreisen möchte, eröffne ich eben einen Käsebrotstand.
DIE WOCHEN DANACH
Nein, ich habe immer noch nicht vorm Supermarkt gespielt. Und ansonsten übe ich einfach. Deswegen hat das Blog geschlossen, bis mir ein neues Thema einfällt. Ich könnte Schlagzeugunterricht nehmen. Baboff-baboff-Zäck-a-Deng!
Woche 22 und 23
Auf zu neuen Ufern! Weg mit dem deutschen Marschtritt! Ran an die Offbeats! Ganze Abteilung kehrt marsch, und jetzt: Links-n-dapp-n-rechts-n-dapp-n-schnippndudeldabeldi ...
Woche 20 und 21
Unser Lehrer gibt sich Mühe mit uns. Er gibt sich aber auch Mühe, ein paar Mysterien für sich zu behalten. Warum gibt es 3 oder meinetwegen auch 3000 Arten, ein "b" zu spielen, und wir dürfen aber nur die fiese Art benutzen, die mit dem Fingergelenk? (Falls es ein Nasenwurzel-b gibt, wäre das natürlich noch fieser.)
Und wo ist eigentlich das tiefe Cis zu finden? Er verrät und verrät es nicht. Ist vielleicht ein Saxophonist im virtuellen Raum? Ich bin ein Notfall!
Woche 18 und 19
"Klonk" statt "Huup" ist kein schönes Geräusch. Schon gar nicht, wenn es darauf hinweist, dass bei einem 5 Tage alten Saxophon soeben die linke Daumenstütze abgefallen ist. Sie zieht eine Klebstoffspur hinter sich her, will aber trotzdem nicht wieder an das Instrument anwachsen. Was mag da helfen? Kaugummi? Spucke? Sekundenkleber? Zaubertrank?
Als ich das im Fachgeschäft frage, muß ich das Instrument wieder hinbringen. Denn der Verkäufer findet das gar nicht gut, daß so ein Teil gleich das Weite sucht. Der, tja wie heißt das, Werkstattmensch? Instrumentenreparateur? Techniker? zuckt dagegen nur die Achseln. "Ist das alles?" So, als ob ich erstens schuld und zweitens blöd bin. Na toll. Ich versuche, zu erspähen, ob er Kaugummi oder Biersuppe nimmt, aber er tut ganz heimlich. Hinterher wackelt jedenfalls nichts mehr, und auch "diese Stelle da" auf meinem Sax und meinem Herzen ist bloß ein winziger Gravurverrutscher und wirklich, WIRKLICH nicht gefährlich. Kein Blasenrost oder wie das heißt, wenn plötzlich das ganze Instrument zu Staub zerfällt.
Woche 16 und 17
Nicht zu fassen. Ich habe es geschafft, mir ein eigenes Sax zuzulegen. Damit bin ich jetzt auch als Frau ein "selbstständiges Glied, ein eigenes Glied" (Loriot) in der Gemeinde der Huper und Tröter. Und es klingt SO VIEL BESSER als mein Schüler-Sax – sogar, wenn ICH es spiele. Da übe ich gleich doppelt so lange vor Glück.
Für den Supermarkt-Gig ist mir das Wetter zu schlecht (rausred ...).
Bis ich mir eine Band suchen kann, wird es aber wohl leider noch ein paar Jährchen Übung brauchen, "Summertime" hin oder her. Deswegen habe ich mir jetzt eine Band gesucht, in der ich wieder E-Bass spiele und gleichzeitig den Saxophonisten die Tricks abschauen kann. Ein toller Plan!
Woche 15
Ja, erstaunlich, zwischendurch übe ich wirklich und kann sogar das eine oder andere Stück. Auch wenn es nach wie vor tendenziell gemein klingt, schrill und blökig. Das wird aber bestimmt besser. Das sagen alle ... ehe sie mit zugehaltenen Ohren das Zimmer verlassen.
Ich kann zum Beispiel "Summertime". Na gut, vielleicht ist das der letzte Heuler, aber immerhin ein richtiges Stück. Ich kann mit anderen (Klavier, Baß) zusammenspielen. Na gut, die sind mir verwandt, die müssen das, aber dennoch ... nach gut drei Monaten ist das weitaus mehr, als ich erwartet habe.
Jeder und jedem, die plötzlich Lust verspüren, Saxophonspielen zu lernen, kann ich nur Mut machen: Probiert es aus. Es macht Spaß! Und man kann seiner Umgebung auf ganz neue Art und Weise auf die Nerven fallen.
Woche 14
Die ultimative Sax-Kauf-Beratung ...
... gibt es nicht. Ich habe das Glück, erfahrene Saxer zu kennen. Die frage ich mal, denn ich habe ja keine Ahnung.
Hier das Ergebnis:
Würde ich mit A einkaufen gehen, käme ich vergleichweise günstig davon. Ein Schülerinstrument müßte her. Ein Unterschied sei in den nächsten zwei Jahren spielen sowieso nicht zu hören, egal welches Modell ich mit meinen musikalischen Versuchen belästige. Danach kann man dann weitersehen. Klingt einleuchtend, allerdings sind 1500 Euro für eine Zwischenlösung immer noch eine Menge Geld.
B rät mir von sogenannten Vintage-Instrumenten ab. Die sind alt, voller Seele und Charakter, meist günstiger zu kaufen, aber nicht so leicht zu spielen. Klingt einleuchtend, denn der Saxophonbau hat ja Fortschritte gemacht seit den 30er Jahren.
C sagt allerdings, das ist totaler Quatsch, auch ein Anfänger könne mit einem alten Instrument gut klar kommen. Früher mußten die Anfänger ja schließlich auch darauf spielen. Klingt einleuchtend.
D rät mir, ruhig ein Profi-Instrument zu erwerben, wenn ich darauf Lust habe. Klingt einleuchtend, schließlich wird die Welt nicht schlechter, wenn ich ein gutes Instrument benutze (besser allerdings auch nicht).
A sagt, das ist totaler Quatsch und Verschwendung. Klingt einleuchtend.
So gestärkt von den Profis, wünsche ich mir, ein Instrument auf meinem Dachboden zu finden. Das ist dann da und ich muß nichts mehr entscheiden. Wenn ich an andere Leute mit richtigen Problemen denke, komme ich mir schon lange wie ein Idiot vor. Eine Umfrage unter meinen Mitbewohnern ergab, daß niemand im Ernst damit rechnet, daß ich überhaupt irgendwas kaufe. Kurz, sie würden auch die letzte Gurke bejubeln, weil dann das Thema endlich durch ist.
Woche 13
Ich übe. Ich übe zum Beispiel, so lässig "meine Kanne" zu sagen wie die Großen. Klappt aber noch nicht. Ich habe ja auch noch gar keine Kanne. Ich teile meine Zeit zwischen Üben und 3-2-1-Meins. Da gucke ich aber nur, denn man soll keine Kannen kaufen, die man nicht probegespielt hat. Nicht mal die Oberschnäppchen. Gerade die nicht.
Beim Spielen ist, oh Wunder, immer noch der Ton das Thema. So langsam mache ich auch meine Erfahrungen mit den Blättchen. Sind sie neu, klingen sie scharf und gemein. Sind sie eingespielt, klingen sie 5 Minuten lang so, wie ich es mir denke. Danach sind sie gleich schlaff und wollen ausgestauscht werden. Denke ich: "Ach Blättchen, du klangst doch eben noch so gut, laß uns Freunde bleiben", antwortet das Blättchen mit Pfeiftönen und Fiepen, im tiefen Bereich auch mal mit schweren Vibrationen. Da wackeln die Wände und die Zähne.
Wochen 10-12
No comment.
Woche 9
Suslein allein im Unterricht; die gemeinen Kolleginnen schwänzen. Damit es in Sachen "Der Brummbär tanzt" ohne die Damen nicht zu schnell vorangeht, darf ich statt dessen einen Blues spielen: Der Lehrer improvisiert am Klavier, und ich tröte immer dieselbe 4-Ton-Phrase. Eigentlich finde ich es toll, aber nach 2 Minuten bin ich schweißübertrömt und total aus der Puste. Wie MACHEN die echten Saxophonisten das bloß? Laufen die heimlich alle Marathon?
Woche 8
Ich habe den ersten Cent verdient. Leider kam er vom Lehrer, gilt also nicht in Sachen Supermarktwette. Und so kam's:
Die wahrhaft hypermoderne Saxophonschule peitscht uns auch durch "Freude schöner Götterfunken". Aber aus irgendeinem Grund nur durch die erste Hälfte. (Vielleicht, weil Beethoven sich sonst jedesmal aus dem Grab erhebt und den Schülern die Saxophone irgendwohin rammt, wo es wehtut?)
Der Lehrer fragte rhetorisch, ob das wer zu Ende spielen könne (der Basso Continuo seiner Frage klang etwa wie "Ihr Deppen"). Meine Kollegin und ich legten los. Tadellos. Das hatte der Lehrer noch nie erlebt. Wahrscheinlich fehlt die Generation Freude-schöner-Götterfunken sonst in seinen Kursen. Zwecks Motivation bekamen wir jede einen Cent. Beethoven ging leer aus.
Woche 7
"Der Saxophonist ist der natürliche Feind des Musikers." (Frieder Gottwald)
Und jetzt sind Ferien. Der Lehrer wird sie genießen.
Woche 6
Der Versuch, ein gebrauchtes Saxophon für kleines Geld zu beschaffen, scheitert brutal. Ja, es ist "spielbereit", aber nur wenn man die kaputte Oktavklappe mit Tesafilm knebelt. Und bei den tiefen Tönen ist irgendwas nicht ganz dicht. Das wäre ich auch, wenn ich dafür 500 Euro bezahlen würde. Außerdem hat es Frustrationsbeulen. Entweder hat es sich selbst verkrümmt vor Kummer, oder ein frustrierter Schüler hat mal dagegen getreten. Mit Wanderschuhen. Es tut mir leid, denn es ist eigentlich eins von den guten, und vielleicht wäre es mit viel Liebe und viel Reparatur wieder hinzukriegen. Aber nicht von mir. Da muß ich wohl weiterhin mein Mietinstrument frustrieren. Aber der Trick mit dem Tesafilm ... vielleicht könnte man ja die Zuhörer knebeln?
Woche 5
Wir können noch keine ganze Tonleiter, spielen aber schon die ersten Stücke. Cool! Sie heißen meist so etwa "Der Brummbär tanzt". Uncool! Nach kurzer Zeit klingt es außerdem mehr wie "Der Brummbär kriegt keine Luft mehr" oder "Der Brummbär hat etwas Böses verschluckt, was man nicht hören möchte, aber muß".
Der Lehrer sagt dann gern: "Sehr schön. Das könnt ihr zu Hause noch verbessern."
Er meint damit: "Grauenhaft. ICH will das HIER auf keinen Fall nochmal hören!"
Macht aber nichts. Ich habe definitiv mehr Spaß als er, und so soll es ja auch sein, wenn man jemandem Geld für etwas gibt. Außer beim Zahnarzt. Ob man auch mit den Dritten noch Saxophon spielen kann?
Woche 4
Badefreuden.
Woche 3
Thema: Der Ton, die alte Zicke!
Wahrscheinlich ziehen wir dem Lehrer die Schuhe aus. Der Ton, die alte Zicke, kommt mal warm wie Septemberregen, dann wieder kalt wie die FDP, und immer entweder zu laut oder zu spät. Synkopen wurden bestimmt von schläfrigen Saxophonisten erfunden, deren Ton bei der "eins" auf sich warten ließ. Der Rest verrutschte dann gleich mit. So wurde aus Morgen und Abend der erste Song. Das stelle ich mir aber nur vor, ehrlich! Damit ich glauben kann, daß ich irgendwann auch noch eine Chance auf Musikteilhabe habe.
Woche 2
Ich darf die Selbstfindungs-Vuvuzela mit dem Rest des Saxophons zusammenbauen, was mir beinahe auf Anhieb gelingt. Der Lehrer zieht wieder die Schuhe aus. Jetzt dürfen wir einen Ton spielen, aber nur einen und keinen anderen!
Der Lehrer findet, er könne sein Gehalt auch als Schmerzensgeld interpretieren. Beim Versuch, den Ton mit der Zunge anzustoßen, klemme ich sie mir zwischen Blättchen und Mundstück. Sieht so der Beginn einer wunderbaren Freundschaft aus?
Woche 1
Was mir am meisten auffällt: Der Lehrer zieht während des Unterrichts die Schuhe aus.
Was mir noch auffällt: Wir dürfen zunächst nur auf dem S-Bogen blasen, zur Gewöhnung. Das muß ich nun jeden Tag zu Hause tun. Meine Mitbewohner können ihre Begeisterung kaum noch zügeln.
"Ich dachte, mein Computer ist kaputt." – "Ruft da jemand um Hilfe?" – "Das klingt wie schlechte Nachrichten."
Ich kann noch nicht einmal ein Saxophon zusammensetzen. Und überhaupt, diese Blattanschlabberei, ist das nicht eklig? Wir sind doch nur gute deutsche Hausfrauen in dem Kurs!